Den deutschen Verfassungsschutz beflügelt der Gedanke, die Alternative für Deutschland (AfD) zu beobachten. Genauer gesagt den sogenannten „Flügel“, einen Zusammenschluss innerhalb der Partei. Der AfD Bundesvorstand will nun seine Auflösung. Wir haben Andreas Kalbitz, neben Björn Höcke der führende Vertreter des „Flügels“, gefragt, wie er diesen Entschluss sieht, warum die Einheit der Partei so wichtig ist und wie man gemeinsam in das Superwahljahr 2021 gehen will.
FREILICH: Lieber Herr Kalbitz, „Der Flügel“ soll sich nun laut AfD-Bundesvorstandsbeschluss auflösen. Können Sie uns verraten, was den Bundesvorstand zu seiner Entscheidung geführt hat und tut sich die AfD mit dem Beschluss einen Gefallen?
Andreas Kalbitz: Ich
denke, die Entscheidung der Mehrheit des Bundesvorstandes fußte auf der
Annahme, dass sich das Risiko der Gesamtbeobachtung der AfD als Partei
reduziere, wenn man den definierten Vorgaben des inzwischen offenkundig
politisch motiviert vorgehenden Verfassungsschutzes, der mit Einsetzung des
Regierungsvollstreckers Haldenwang als Etabliertenschutz gegen die AfD
instrumentalisiert wurde, Folge leistet.
Ich halte diese Annahme aber für irrig und habe gegen diesen Beschluss gestimmt. Es geht nicht um den Flügel, um Höcke oder Kalbitz. Der etablierte politisch-mediale Komplex möchte keine „andere“ AfD, sondern gar keine, bzw. bestenfalls in einer possierlichen dauerhaften „deutlich-unter-10-Prozent-Größe“, die für die etablierten Parteien schmerzfrei duldbar wäre, weil ohne jeden wirklichen politischen Einfluss. Das deckt sich nicht mit meinem Anspruch, dass Politik letztlich verantwortliche demokratische Mitgestaltung bedeuten soll und muss.
„Mit der medial katalysierten Wahrnehmung einer uneinigen Partei wurde das Geschäft des politischen Gegners erledigt.“
Mit der medial katalysierten Wahrnehmung einer
uneinigen Partei wurde damit ebenfalls auch noch hinsichtlich der Außendarstellung
das Geschäft des politischen Gegners erledigt. Ganz Deutschland ist mit der
Bewältigung der Coronapandemie beschäftigt, die AfD mit sich selber, das kommt
bei den Menschen neben dem Eindruck eines „zerstrittenen Haufens“ im Moment fatalerweise
an. Die damit beim politischen Gegner und dem instrumentalisierten
Verfassungsschutz vermeintlich erheischten „Bonuspunkte“ wird es nicht geben.
Noch befassen sie sich ja intensiv mit der
Bewertung und möglichen fristgemäßen Umsetzung des Bundesvorstandsbeschlusses,
was wird dabei aller Voraussicht nach heraus kommen?
Wir werden als AfD-Mitglieder dem Beschluss
des Bundesvorstandes als höchstem Führungsgremium unserer Partei fristgemäß
Folge leisten, wenngleich der Flügel eine lose Interessengemeinschaft ist. Das
Ende des Flügels bedeutet ja nicht das Ende der Überzeugungen und des
entschlossenen Engagements seiner Sympathisanten im Interesse des Erfolges der
Gesamtpartei AfD. Die Vergangenheit hat klar gezeigt, dass dort, wo eine
vermeintliche Flügelnähe bestand, die bisher größten Erfolge der AfD ermöglicht
wurden, wie in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Das ist der
einzige realpolitische Gradmesser.
Worüber ist der Flügel letztlich gestolpert? Über „Verfilzungen“, wie das Herr Höcke in seinem Interview mit der „Sezession“ nennt, oder über eine zu provokante Positionierung und Kommunikation?
Eine Gesamtanalyse würde sicher den Rahmen
sprengen. Insgesamt ist die fünfjährige Geschichte des Flügels ein
Erfolgsprojekt, das jede Mühe wert war. Die von Björn Höcke angesprochenen
„Verfilzungen“ sind ein politik- und parteiimmanentes Problem, vor dem die AfD
natürlich auch nicht gänzlich gefeit ist, genauso wenig, wie der Flügel als
Teil der AfD. Ich halte das persönlich aber eher für ein – wenngleich durchaus
existentes – Randphänomen.
„Provokant“ war die Positionierung des Flügels
als Mahner für die Gründungsideale der AfD und als kritische Begleitung einer
jungen und ungeübten Partei auf dem Weg in den etablierten Politikbetrieb jedenfalls
nicht. „Provokant“ war vielleicht die innerparteiliche Deutlichkeit gegen
lauernden Opportunismus und die politische Deutlichkeit in Ansprache und
Bewertung der existentiellen Probleme unseres Landes, deren
Grundgesetzkonformität bei wirklich objektiv motivierter Bewertung ohne jeden
Zweifel ist, unbenommen, ob man politische Positionen teilt oder nicht.
Richtig ist aber auch: „Provokant“ waren zugegebenermaßen
die ein oder andere Äußerung einzelner Flügel-Mitstreiter, die nicht immer
gelungen und glückvoll waren, unabhängig von der üblichen medialen
Skandalisierungsstrategie.
Noch spricht Herr Höcke davon, dass die AfD
einen Impuls braucht, der über den Flügel hinausweist und die Einheit der
Partei betont. Teilen Sie diese Ansicht und wie sähe der Impuls aus?
Diese Ansicht teile ich. Björn Höcke hat recht, wenn er deutlich macht, dass die Zurücknahme eigener Interessen und persönlicher Befindlichkeiten im Interesse des gemeinsamen Erfolges als Gesamtpartei bereits der erste nötige Impuls für die Einheit der AfD ist, wenngleich die gewünschte und fremdbeschleunigte „Flügelzerschlagung“ kein Schritt in diese Richtung ist. Deshalb macht unsere Entscheidung auch klar: Niemand steht persönlich oder institutionell über der gemeinsamen Sache, für die wir uns mit weiterhin mit aller Kraft einsetzen werden. Nicht der Flügel, und kein anderer. „Unersetzbarkeit“ ist eine Illusion, die besonders im politischen Betrieb manchmal geeignet ist, den klaren Blick zu trüben.
„Wir wollen parlamentarisch und demokratisch wirken, nicht meckern.“
Der Gegenwind wird zunehmen und der politische
Gegner wird erst Ruhe geben, bis die AfD in der deutschen Politik keine Rolle
mehr spielt, das scheint ja sicher. Wo sehen Sie die AfD im Wahljahr 2021?
Grundlage des nötigen Erfolges im
„Superwahljahr 2021“ wird, wie in der Vergangenheit auch, die innere Geschlossenheit
sein. Die AfD hat die reelle Möglichkeit, sich weiter zu verstetigen und –
regional unterschiedlich – Ergebnisse zu verbessern.
Das Jahr 2020 bietet, trotz der schwer
kalkulierbaren Entwicklung der Rahmenbedingungen durch die aktuelle Coronakrise,
die Möglichkeit, der nötigen inneren Konsolidierung und strukturellen
Aufbauarbeit, als auch der Fortsetzung der parlamentarischen Arbeit auf allen
Ebenen. Welche Wirkung und „Schockwellen“ im etablierten Politikbetrieb möglich
sind, hat die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen gezeigt. Wir wollen parlamentarisch
und demokratisch wirken, nicht meckern.
Parallel erwarte ich eine ungebrochene
Fortsetzung der Diskriminierungs- und Kriminalisierungsstrategie gegen die AfD,
ihrer Vertreter und Mitglieder, nicht nur seitens der Protagonisten der
vermeintlichen „Zivilgesellschaft“, von Kirche bis gewalttätiger und staatlich
quersubventionierter „Antifa“ mitsamt der üblichen medialen
Hofberichterstattung.
Der Verfassungsschutz wird in einer
„Salamitaktik“ versuchen, einen Selbstzerstörungsmechanismus zu befördern.
Bereits jetzt sind einzelne Landesverbände als „Verdachts-„ oder
„Beobachtungfälle“ eingestuft. Wie soll die Partei reagieren, bei einer
Einstufung als „gesichert rechtsextrem“? Auflösung? Ausschluss aller
Mitglieder? Laut der Zeitung „WELT“ mit Berufung auf das „Gutachten“ des
Verfassungsschutzes gelten 25 der Mitglieder der Bundestagsfraktion als
„rechtsextrem“. Ausschluss? Danach kommt der nächste Verband oder die nächste
Person. Die nötige Konsolidierung muss dafür Sorge tragen, das dieser Druck sich
nicht von innen akkumuliert und gute Absicht nicht zum willigen Vollstreckertum
wird. Hier lohnt, abseits der inhaltlichen Diskrepanz, durchaus ein Blick in
die Parteiengeschichte der LINKEN.
Die Stärke der AfD und ihr Potential als
Volkspartei lag und liegt in der Spannbreite aller innerparteilichen
Strömungen, egal ob in Ost oder West. Mit einem „Flügel“ alleine wird aus dem
Höhenflug höchstens ein Sturzflug. Und deshalb ist die Zurücknahme des Flügels
auch ein ehrliches Angebot, quasi eine innerparteiliche „Vorschussleistung“,
mit dem klaren Fokus auf der Geschlossenheit einer so dringend nötigen
Alternative für Deutschland.
Herr Kalbitz, vielen Dank für das Gespräch!
ANDREAS KALBITZ ist gelernte Medienkaufmann und ehemaliger Fallschirmjägerzeitsoldat der Bundeswehr. Er sitzt heute als Landesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD Brandenburg im Brandenburger Landtag. Außerdem gehört er als Beisitzer dem erweiterten Bundesvorstand der Partei an. Unter seiner Ägide als Spitzenkandidat fuhr die AfD bei der Landtagswahl 2019 stattliche 23,5 Prozent ein. Er gilt als einer der zentralen Akteure innerhalb der informellen AfD-Parteiorgansiation „Der Flügel“: www.derfluegel.de
Andreas Kalbitz direkt: twitter.com/AndreasKalbitz
Alternative für Deutschland: www.afd.de
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