„Sozialismus – Die gescheiterte Idee, die niemals stirbt“ ist unser FREILICH Buchklub-Buch des Monats. Das Buch macht deutlich, wie salonfähig die Idee des Sozialismus bereits geworden ist. Wir bringen einen Auszug.
Der Sozialismus ist wieder in Mode gekommen– nicht nur unter Studenten, sondern auch unter Leuten in ihren Dreißigern, Vierzigern und teils darüber hinaus. In den USA geben 35 Prozent aller »Millennials« – also derjenigen, die in den 1980ern und 1990ern zur Welt kamen – an, eine positive Meinung zum Begriff »Marxismus« zu haben. 36 Prozent aller Millennials haben eine positive Meinung zum Begriff »Kommunismus« und 49 Prozent zum Begriff »Sozialismus«.

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In Großbritannien verhält es sich ähnlich: Zwei von fünf Millennials stimmen der Aussage zu, der Kommunismus hätte funktionieren können, wenn man ihn »besser ausgeführt« hätte. Weitere zwei von fünf sind sich nicht sicher oder möchten nicht Position beziehen, was bedeutet, dass nur jeder fünfte diese Aussage ablehnt. Auch geben zwei Fünftel aller britischen Millennials an, eine positive Einstellung zum Sozialismus zu haben, ein Ergebnis, das von Umfrage zu Umfrage in etwa konstant bleibt und das nicht davon abhängt, wie genau die Frage formuliert wird. Viele derer, die den Sozialismus nicht aktiv bejahen, lehnen ihn nicht ab, sondern haben lediglich keine Meinung zu dem Thema. Filtert man die Unentschlossenen heraus, so wird klar, dass die Zahl der Sozialismus-Befürworter die der Sozialismus-Kritiker deutlich übersteigt. Beim Kapitalismus verhält es sich umgekehrt.
Sowohl in den USA als auch in Großbritannien ist der Zuspruch zum Sozialismus unter Millennials besonders groß, beschränkt sich aber nicht ausschließlich auf diese Generation. Auch unter Angehörigen der »Generation X« – also derjenigen, die in den 1970ern und späten 1960ern zur Welt kamen – steht noch etwa jeder Dritte dem Sozialismus positiv gegenüber. Die Situation in Deutschland ist nur insofern anders, als der Sozialismus hier nie so richtig »weg« war und sich der Zuspruch zum Sozialismus nicht speziell auf jüngere Leute konzentriert. In Deutschland hat fast jeder Zweite eine positive Einstellung zum Sozialismus und nur jeder Vierte eine negative, während es sich beim Kapitalismus fast exakt spiegelverkehrt verhält.
Das Meinungsforschungsinstitut YouGov fasst die Situation folgendermaßen zusammen: »Junge Briten und Amerikaner sehen den Sozialismus meist positiver als ältere – und auch positiver als den Kapitalismus. […] [D]as Image des Sozialismus [ist] in Deutschland insgesamt deutlich besser als in den USA und Großbritannien, das des Kapitalismus dafür umso schlechter. […] Einen Altersunterschied gibt es in Deutschland allerdings nicht. Jene Generationen, die den ›real existierenden Sozialismus‹ der DDR noch mitbekommen haben, sehen Sozialismus und Kapitalismus im Prinzip genauso wie die nach der Wende Geborenen.«
Das ist vermutlich der Grund, warum der Begriff des »Millennial Socialism«, der im angelsächsischen Sprachraum in den letzten Jahren zu einem feststehenden Begriff geworden ist, bislang keine direkte deutsche Entsprechung hat. Auch ist es in Deutschland weniger angemessen, von einem »Revival« des Sozialismus zu sprechen, da dieses Phänomen hier nicht erst in den letzten Jahren aufgekommen ist.
Schon in den 2000ern und den 1990ern stimmte eine Mehrheit der Deutschen der Aussage zu, der Sozialismus sei eine gute Idee, die in der Praxis nur schlecht umgesetzt worden sei. Zuspruch zum Sozialismus ist nicht nur Zuspruch zu einem populären Schlagwort. In einer britischen Umfrage stimmten 37 Prozent der 18- bis 50-Jährigen der Aussage »Wettbewerb zwischen privaten Unternehmen reduziert die Lebensstandards von Millionen von Menschen, denn er hilft vor allem den Reichen, hat Armutslöhne für viele Arbeiter zur Folge und führt oft zu minderwertigen Produkten und Dienstleistungen« zu.
Nur 29 Prozent stimmen der gegenteiligen Aussage zu, nämlich »Wettbewerb zwischen privaten Unternehmen erhöht die Lebensstandards der meisten Menschen, denn er führt zu neuen und besseren Produkten und Dienstleistungen, schafft neue Arbeitsplätze, und hält die Preise niedrig«.
In einer weiteren Umfrage wurden die Teilnehmer zu ihren Assoziationen mit Kapitalismus, Sozialismus und weiteren -ismen befragt. Es bestätigt sich, dass der Kapitalismus überwiegend mit negativen Eigenschaften wie »gierig«, »korrupt« und »spaltend« in Verbindung gebracht wird, der Sozialismus dagegen mit positiven wie »gemeinwohlorientiert«, »hilft den meisten Menschen« und »fair«. Die meistgenannte negative Assoziation mit Sozialismus lautet »naiv«, eine Eigenschaft, die im Grunde gar nicht so negativ ist und die vielen sogar sympathisch sein dürfte.

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Wenn es um konkrete Politikvorschläge geht, so sind vor allem Verstaatlichungen extrem populär. Eine deutliche Mehrheit der Briten befürworten zum Beispiel die (Wieder)Verstaatlichung von Verkehrsbetrieben im Fern- und Nahverkehr, von Versorgungsunternehmen (Strom, Gas und Wasser), des Postwesens und weiterer Sektoren. Die genauen Zahlen unterscheiden sich von Umfrage zu Umfrage, aber die Grundtendenz ist immer die gleiche. Auch in Bereichen, in denen sich keine absolute Mehrheit für eine Verstaatlichung finden lässt, gibt es zumindest immer eine starke Minderheit, die dafür ist. So will etwa immerhin noch jeder Vierte Autohersteller und Reisebüros verstaatlichen, während jeder Dritte Lebensmittelhändler und Telefon und Internetanbieter vergesellschaften will.
Staatlich festgesetzte Preise sind ebenfalls sehr populär, obwohl dies von Branche zu Branche variiert. Über 70 Prozent aller Briten befürworten etwa gesetzliche Höchstpreise für Energie und Transport. Beim Thema Mietpreiskontrollen kommt es darauf an, welcher Umfrage man Glauben schenken möchte, aber zumindest in einigen Umfragen finden sich auch hierfür Zweidrittelmehrheiten. Für staatlich festgesetzte Lebensmittelpreise à la Venezuela gibt es keine Mehrheit, es wird aber immer noch von jedem Dritten befürwortet.
Staatliche Regulierung und staatliche Lenkung von Unternehmensentscheidungen finden ebenfalls große Zustimmung, sowohl im Abstrakten als auch, wenn konkrete Beispiele genannt werden. Hierzu gibt es eine Meinungsstudie des Legatum Instituts, die zu verschiedenen Themen je eine etatistische Position und eine marktliberale Position einander gegenüberstellen – etwa »Managergehälter sollten begrenzt werden« vs. »Unternehmen sollten ihre Manager so entlohnen, wie es ihnen angemessen scheint« oder »Der Staat muss das Verhalten von Unternehmen in stärkerem Maße regulieren« vs. »Der Staat reguliert die Privatwirtschaft zu stark«. Die Befragten sollen sich dabei für je eine dieser Positionen entscheiden. In keinem einzigen Fall findet sich eine Mehrheit für die marktliberale Position. Selbst Aussagen wie »Großbritannien wäre ein besseres Land, wenn Unternehmen weniger Gewinne machen würden« setzen sich mit deutlichem Vorsprung durch.
Jeder zweite Brite wünscht sich zudem höhere Staatsausgaben, obwohl die Fragestellung klar macht, dass dies zu höheren Steuern führen muss. Fast alle übrigen Befragten möchten Staatsausgaben und Steuern auf dem gegenwärtigen Niveau halten. Einen kleineren Staat wünscht sich praktisch niemand.
Die Situation in Deutschland ist nicht grundlegend anders. Acht von zehn Bundesbürgern finden, dass die Privatisierungspolitik in den vergangenen Jahrzehnten zu weit gegangen sei. Ein weiterer von diesen zehn hält den Status quo in etwa für richtig, aber die Ansicht, die Privatisierungspolitik sei nicht weit genug gegangen, ist eine exotische Randmeinung, die in Deutschland fast niemand vertritt. Drei von vier Deutschen finden, der Sozialabbau sei in den zurückliegenden Jahrzehnten zu weit gegangen. Neun von zehn glauben, die Einkommens und Vermögensungleichheit sei ausgeufert, und sehen darin eine Ursache sozialer Probleme. Nur jeder Dritte ist der Meinung, es gebe in Deutschland einen ausreichenden sozialen Ausgleich, und weniger als jeder Dritte hält den Reichtum der Vermögenden für zu rechtfertigen. 87 Prozent der Bundesbürger wünschen sich höhere Staatsausgaben.
In Berlin sind 55 Prozent der Bürger für eine Enteignung von Großvermietern. Dafür gibt es bundesweit derzeit keine Mehrheit (wenngleich es auch keine absolute Mehrheit dagegen gibt) – für einen Mietendeckel nach Berliner Vorbild allerdings schon. Für die Wiedereinführung der Vermögensteuer gibt es eine Mehrheit von 61 Prozent, eine Senkung der Unternehmensbesteuerung will nur jeder Dritte.
Verstaatlichungen sind in Deutschland schon lange beliebt. Eine deutliche Mehrheit findet, der Telekommunikationssektor, der Eisenbahnverkehr und das Energiewesen gehörten in öffentliche Hände. Auch in anderen Sektoren spricht sich eine Mehrheit, oder doch zumindest eine starke Minderheit, für Verstaatlichungen aus. Es gibt praktisch keinen Wirtschaftszweig, den nicht mindestens jeder Vierte verstaatlichen möchte.
Viele dieser Politikvorschläge sind, für sich genommen, nicht sonderlich radikal. Ein gewisses Maß an Staatsinterventionismus ist noch kein Kommunismus: Ein staatlicher Energiesektor macht noch kein Nordkorea, und eine Vermögensteuer macht noch kein Kuba. Selbst in den liberalsten Marktwirtschaften der Welt, zu denen man etwa Hongkong und Singapur, aber auch die Schweiz zählen könnte, gibt es Bereiche, in denen der Staat sehr aktiv ist.
Was solche Umfrageergebnisse allerdings zeigen, ist, dass die oft gehörte Behauptung, es gebe so etwas wie eine »neoliberale Hegemonie«, vollkommen falsch ist. Der Zeitgeist ist etatistisch und interventionistisch, sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien. Marktliberalismus ist eine unpopuläre und politisch erfolglose Randmeinung.

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Zum Thema:
FREILICH Gespräch mit dem Autor Kristian Niemietz: „Sozialismus gleitet immer ins Totalitäre ab“
FREILICH gelesen: „Sozialismus – Die gescheiterte Idee, die niemals stirbt“


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Grenzen, so Heinrich Sickl, helfen uns Identität zu bewahren und Sicherheit zu garantieren. Aktuelle Herausforderung wie Corona und illegale Migration machen klar, dass es Zeit ist für Freiheit und Frieden Grenzen zu setzen und zu verteidigen.
